Liebe oder Selbstverwirklichung – oder beides?

Es gibt beim Romanschreiben kaum etwas Wichtigeres als die Mitwirkung der Figuren, denn wenn sie auf deine Geschichte, also ihre, keine Lust haben, kannst du es vergessen.

Ich habe meine Protagonistin also gefragt, wonach sie sich im Leben sehnt. Die Antwort ist eigentlich klar. Schließlich schreibe ich einen Liebesroman, in welchem sie eine nicht unwesentliche Rolle spielen soll. Ich dachte, ich hole sie intellektuell und gefühlsmäßig ab, denn sicher ist sicher.

«Ich und die Liebe?» Sie verschränkt die Arme. Ihre grünen Augen betrachten mich kritisch. «Nicht im Ernst, oder?»

Vor Schreck komme ich ins Stottern. Nun, ich habe nicht vor, die Geschichte einer Entführung aus dem Aldi, mit einer Forderung nach Tausend Dosen Katzenfutter zu schreiben. Oder eines Ausflugs zu Basels Wasserturm, bei welchem der Kinderwagen von allein die Wiese hinunterrollt und eine Nahtoderfahrung droht.

Ich verstehe. Elli hat es nicht so mit der Liebe. Schuld daran ist ihre Vergangenheit. Deshalb konzentriert sie ihre Träume lieber auf etwas, das sie sich spätestens im nächsten Leben erfüllen könnte. Etwas, das ganz ihr gehört. Ein eigenes Café, zum Beispiel, am liebsten am Meer. Selbstverwirklichung würde sie es nicht nennen. Ihr Lebenstraum gleicht eher einem Luftschloss. Aber mit etwas gutem Willen und meinem Zutun ließe sich vielleicht doch was machen.

Nur: die Liebe! Die muss einfach rein und schon stellt sich mir die bange Frage. Passen Liebe und Selbstverwirklichung überhaupt zusammen? Wenn ich an meine Protagonistin Katharina denke, dann bin ich mir gar nicht so sicher. Sie hat nicht einfach den Ehemann gegen die Liebe ihres Lebens ausgetauscht. Nein, sie hatte einen Plan. Für sich allein. Bevor sie den Kontinent hinter sich ließ und sich in das Brexit-Land wagte, wollte sie sich was beweisen. Bedeutet das, dass sie nicht liebte? Ich meine, nein, keinesfalls. Ich hatte zumindest den Eindruck, dass es schon eine ziemlich große Liebe war.

Ich hoffe sehr, dass ich Elli davon überzeugen werde, dass sie auch mit einem Café am Meer lieben dürfte. Einen streunenden Hund zum Beispiel. Ein Nachbarskind mit großen dunklen Augen und einem verschmitzten Lächeln. Einen Mann sogar. Und einen Pianisten?

Wir schaffen das. Zusammen mit Amando, der bis über beide Ohren in sie verliebt ist und mit Sveta, der Freundin ohne Vorgeschichte, ist alles möglich. Ich bin zuversichtlich, dass Liebe und Selbstverwirklichung am Ende Hand in Hand dem obligaten Sonnenuntergang entgegengehen könnten. Wenn Elli mitmacht natürlich.

Gut, das mit dem Sonnenuntergang werde ich mir daher noch überlegen.

Bild KI-generiert

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert